Sicherheitsbewertung
Folsäure (Folat)

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (European food safety authority, EFSA) hat letztmalig im Jahr 2006 Vitamine und Mineralstoffe hinsichtlich ihrer Sicherheit bewertet und für jeden Mikronährstoff, sofern ausreichend Daten vorlagen, einen sogenannten Tolerable Upper Intake Level (UL) festgesetzt. Dieser UL gibt die sichere Höchstmenge eines Mikronährstoffs wieder, die bei täglicher, lebenslanger Zufuhr aus allen Quellen keinerlei Nebenwirkungen hervorruft.

Die sichere tägliche Höchstmenge für synthetische Folsäure liegt bei 1.000 µg (entspricht 1.670 bis 2.000 µg Folat-Äquivalente) [1, 2].
Die sichere tägliche Höchstmenge für synthetische Folsäure entspricht rechnerisch dem 5-fachen
der empfohlenen Tagesdosis der EU (Nutrient Reference Value, NRV).

Die oben angegebene sichere tägliche Höchstmenge gilt für Erwachsene ab 19 Jahren sowie für Schwangere und Stillende und berücksichtigt nur synthetische Folsäure aus Nahrungsergänzungen und angereicherten Lebensmitteln [1].

Der Gesetzgeber hat für die Verwendung von Folsäure in diätetischen Lebensmitteln, Nahrungsergänzungsmittel sowie angereicherten Lebensmitteln ausschließlich synthetische Folsäure in Form von Pteroylglutaminsäure (PGA) und Calcium-L-methylfolat zugelassen [4, 5]. Die synthetische Form der Folsäure wurde aus Gründen der Stabilität und der besseren Aufnahme gewählt und findet in allen auf dem Markt erhältlichen Präparaten Verwendung.

Synthetische Folsäure wird fast vollständig im Darm aufgenommen während Nahrungsfolate nur zu ca. 50 % aufgenommen werden. Entsprechend weist die Zufuhr-Empfehlung der DGE sog. Folat-Äquivalente (FÄ) aus, wobei 1 µg FÄ = 1 µg Nahrungsfolat = 0,5 bis 0,6 µg synthetische Folsäure entspricht [3]. D. h. eine sichere tägliche Höchstmenge von 1.000 µg synthetischer Folsäure entspräche einer Nahrungsfolatmenge von 1.670 bis 2.000 µg.

Die Angaben der NVS II (Nationale Verzehrsstudie II, 2008) zur täglichen Aufnahme von Folsäure aus Nahrungsergänzungen lassen erkennen, dass eine unbewusste Überschreitung einer Menge von 1.000 µg synthetischer Folsäure unwahrscheinlich ist [6].

Der sogenannte LOAEL (Lowest Observed Adverse Effect Level) – die niedrigste Dosis eines Stoffes, bei der gerade noch negative Auswirkungen beobachtet wurden – liegt bei einer Menge von 5 mg (= 5.000 µg) synthetischer Folsäure pro Tag [1, 2]. Demnach ist die niedrigste Dosis, bei der gerade noch negative Auswirkungen festgestellt werden konnten, 25-mal größer als der NRV-Wert und 5-mal größer als die sichere tägliche Höchstmenge (Tolerable Upper Intake Level; UL).

Für Folsäure aus natürlichen Quellen (Nahrungsfolat) sind bisher keine unerwünschten Nebenwirkungen einer überhöhten Zufuhr beobachtet worden [1]. Aufgrund der hohen Unterversorgung mit Folsäure in der deutschen Bevölkerung, ist mit einer überhöhten Zufuhr des Vitamins über die konventionelle Ernährung ohnehin nicht zu rechnen [2].

Unerwünschte Effekte einer überhöhten Folsäurezufuhr

Bei Zufuhr extrem hoher Mengen synthetischer Folsäure um die 15 mg (entspricht 25 bis 30 mg Folat-Äquivalenten) sind Insomnie (Schlafstörungen), Erregung, Hyperaktivität, Nausea (Übelkeit), Meteorismus (Blähungen), eine gestörte Geschmacksempfindung und allergische Reaktionen wie Pruritus (Juckreiz), Erytheme (flächenhafte Hautrötung) und Urtikaria (Nesselsucht) beobachtet worden [1, 2].

Eine Zufuhr von 5 mg synthetischer Folsäure pro Tag und mehr kann einen Vitamin B12-Mangel verschleiern, d.h. die bei Vitamin B12- und Folsäuremangel identischen hämatologischen Symptome wie megaloblastäre Anämie (Blutarmut, die durch einen Mangel an Vitamin B12 oder seltener durch einen Folsäuremangel bedingt ist) werden aufgrund der Folsäurezufuhr verbessert, während die neurologischen Symptome eines Vitamin B12-Mangels nicht verhindert werden können [2]. Die Diagnose einer Störung des Nervensystems aufgrund eines Vitamin B12-Mangels kann daher, bei gleichzeitiger überhöhter Zufuhr von Folsäure, erschwert werden.

Bei Epileptikern kann eine Menge synthetischer Folsäure von mehr als 1.000 µg krampfauslösend wirken. Außerdem beschleunigt synthetische Folsäure in diesen Mengen den Abbau von Antiepileptika in der Leber und kann dadurch die antiepileptische Wirkung abschwächen. Andererseits vermindern diese Medikamente die Aufnahme von Folaten und Folsäure im Darm [2].

Des Weiteren werden bei Rheuma- und Krebspatienten Interaktionen (Wechselwirkungen) von Folsäure und Nahrungsfolaten und dem Arzneimitteln Methotrexat (ein Folsäureantagonist/Gegenspieler zur Folsäure) diskutiert [1]. Eine tägliche Zufuhr von 1.000 µg synthetischer Folsäure (entspricht 1.670 bis 2.000 µg Folat-Äquivalente) scheint die Wirksamkeit von Methotrexat jedoch nicht zu beeinträchtigen. Es gibt sogar Hinweise darauf, dass höhere Dosen Folsäure die Nebenwirkungen einer Rheuma- bzw. Krebstherapie (Chemotherapie) verringern können [2].

Eine Studie von Figueiredo et al. weist auf einen positiven Zusammenhang zwischen Folsäure und Prostatakarzinom (Prostatakrebs) hin [7]. Eine Zufuhr von täglich 1 mg synthetischer Folsäure zusätzlich zur Aufnahme natürlicher Folate über die Nahrung verdreifachte in einem Zeitraum von 10 Jahren das Risiko für ein Prostatakarzinom (9,7 % vs. 3,3 %).

Tierstudien zeigten außerdem einen Zusammenhang zwischen Folsäure und der Entstehung von Kolonadenomen (Drüsengeschwülste des Dickdarms; 70-80 % aller kolorektaler Polypen sind Adenome, die als Neoplasien (Neubildungen) eine maligne Potenz in sich tragen, das heißt, sie können bösartig entarten) [8]. Hier führten Megadosen an Ratten zu einem Voranschreiten prämaligner Läsionen (40 mg bis 5 g synthetische Folsäure pro kg Nahrung). Kolonadenome können aus den Läsionen hervorgehen und stellen unter bestimmten Bedingungen eine potentielle Vorstufe eines Karzinoms (Präkanzerose) dar.
Dazu ist jedoch anzumerken, dass in Humanstudien hohe Dosen an synthetischer Folsäure oberhalb der sicheren täglichen Höchstmenge (Tolerable Upper Intake Level, UL) zu einer signifikanten Reduktion des Wiederauftretens entfernter Adenome führten. Zahlreiche kleinere Interventionsstudien stützen diesen protektiven (schützenden) Effekt von moderat erhöhten Mengen synthetischer Folsäure [8].

Der Einfluss von Folsäure auf die Entstehung eines Kolonkarzinoms (Dickdarmkrebs) ist mengenabhängig. Sowohl extrem hohe Mengen synthetischer Folsäure, als auch ein Mangel an Folsäure gingen im Tierversuch mit einem erhöhten Risiko für Kolonkarzinome einher [8].
Aufgrund mehrerer Humanstudien werden auch in diesem Zusammenhang moderat erhöhte Mengen an synthetischer Folsäure als protektiv angesehen. In einer Studie an 88.756 Frauen war die Einnahme von mehr als 400 µg synthetischer Folsäure pro Tag, über einen Zeitraum von 15 Jahren, mit einem um 75 % geringeren Risiko für Kolonkarzinome verbunden im Vergleich zu Frauen, die keine synthetische Folsäure in Form von Nahrungsergänzungen einnahmen [9].

Die oben beschriebenen negativen Effekte sind nur bei einer bewussten Überschreitung der sicheren täglichen Höchstmenge mit synthetischer Folsäure aus Nahrungsergänzungen möglich. Wie eingangs erwähnt, geht von einer erhöhten Zufuhr von Folsäure aus natürlichen Quellen (Nahrungsfolat) kein Risiko unerwünschter Nebenwirkungen aus.

Literatur

  1. Scientific Committee on Food (SCF) and Scientific Panel on Dietetic Products, Nutrition and Allergies (NDA) of EFSA, Tolerable Upper Intake Levels for Vitamins and Minerals, European Food Safety Authority 2006, ISBN: 92-9199-014-0
  2. Bundesinstitut für Risikobewertung: Domke A., Großklaus R., Niemann B., Przyrembel H., Richter K., Schmidt E., Weißenborn A., Wörner B., Ziegenhagen R. (Hrsg.); Verwendung von Vitaminen in Lebensmitteln – Toxikologische und ernährungsphysiologische Aspekte Teil 1.; BfR-Hausdruckerei Dahlem, 2004
  3. Deutsche Gesellschaft für Ernährung, Österreichische Gesellschaft für Ernährung, Schweizerische Gesellschaft für Ernährungsforschung, Schweizerische Vereinigung für Ernährung: Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr. 5. Auflage. In: DGE/ÖGE/SGE/SVE. Umschau- Braus-Verlag, Frankfurt/Main (2013)
  4. Nahrungsergänzungsmittelverordnung vom 24. Mai 2004 (BGBl. I S. 1011), die durch Artikel 1 der Verordnung vom 17. Januar 2007 (BGBl. I S. 46) geändert worden ist. Bundesgesetzblatt
  5. Diätverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. April 2005 (BGBl. I S. 1161), die zuletzt durch Artikel 2 der Verordnung vom 19. März 2010 (BGBl. I S. 286) geändert worden ist. Bundesgesetzblatt
  6. Max-Rubner-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel (Hrsg.); Nationale Verzehrsstudie II, Ergebnisbericht, Teil 2; Karlsruhe, 2008
  7. Jane C Figueiredo et al.: Folic acid and risk of prostate cancer: results from a randomized clinical trial. Journal of the National Cancer Institute 101, no. 6 (März 18, 2009): 432-435. doi: 10.1093/jnci/djp019
  8. Kim YI: Role of folate in colon cancer development and progression. J Nutr. 2003 Nov;133(11 Suppl 1):3731S-3739S.
  9. Giovannucci E et al.: Multivitamin use, folate, and colon cancer in women in the Nurses' Health Study. Ann Intern Med. 1998 Oct 1;129(7):517-24.
     
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