Zu den klinischen Symptomen eines Thiaminmangels zählen
- Störungen im Kohlenhydratstoffwechsel – Erhöhung des Pyruvat- und Laktatspiegels im Blut als Folge der herabgesetzten Pyruvatdecarboxylierung, (sekundäre) Azidose, verminderte Thiaminausscheidung im Urin (normal >66 µg/24 Stunden, marginal 27-65, schwerer Mangel <27) [13]
- Bei der akuten Form des ausgeprägten Thiaminmangels kommt es klinisch zur metabolischen Azidose (Störungen im Säure-Basen-Haushalt aufgrund der Zunahme der organische Säuren, wodurch der pH-Wert des Blutes unter 7,36 sinkt) – unter Umständen in Verbindung mit Herzversagen [2]
- Periphere Neuropathien – Erkrankung des peripheren Nervensystems, neurologische Störungen, Störungen in der neuromuskulären Informationsübertragung – insbesondere in den Extremitäten mit dem höchsten Aktivitätsgrad [5, 14, 15, 17, 19, 20]
- Muskelatrophie – Muskelschwund, fortschreitender Verlust der Muskelmasse sowie -kraft und eingeschränkte beziehungsweise aufgehobene Muskelfunktion – einhergehend mit Muskelschwäche, Muskelschmerzen und -krämpfen (Wadenkrämpfe), unwillkürlichen Muskelzuckungen und einer erhöhten Anfälligkeit [5, 14, 15, 17, 19, 20]
- Tachycardie – Herzrhythmusstörungen mit gesteigerter Herzfrequenz, anhaltende Pulsbeschleunigung auf über 100 regelmäßige Schläge pro Minute, ohne dass ein vermehrter Bedarf an Herzpumpkraft besteht [5, 14, 15, 19, 20]
- Veränderungen im Elektrokardiogramm [17]
- Einschränkung der Leistungsfähigkeit [5]
- Gedächtnisverlust [5, 14, 15, 17, 19, 20]
- Psychische Labilität in Form von Konzentrationsschwäche, Reizbarkeit, Depressionen und Angstzuständen [17]
- Apathie – Teilnahmslosigkeit, mangelnde Erregbarkeit sowie Unempfindlichkeit gegenüber äußeren Reizen [14, 15, 19, 20]
- Schlafstörungen [14, 15, 19, 20]
- Appetitlosigkeit [17]
- Anorexia nervosa [14, 15, 17, 19, 20]
- Gastrointestinale Störungen – Nausea (Übelkeit, Brechreiz) [14, 15, 17, 19, 20]
- Herabsetzung der Magensaftsekretion [17]
Neurologische Symptome
- Degenerative Polyneuropathien der Extremitäten (bilateral, symmetrisch) [1, 7, 8, 9, 17]
- Parästhesien – Kribbeln, Taubheit, Einschlafen der Glieder, Kälte- und Wärmewahrnehmungsstörungen [7, 9]
- Augenzittern, Doppeltsehen [1, 7, 8, 9]
- Gedächtnisstörungen [1, 7, 8, 9]
- Reflexstörungen [7, 9]
- Hängefuß [7, 9]
- Krämpfe [7, 9]
- Burning Feet Syndrom – anfallweise auftretendes, schmerzhaftes Brennen der Füße [7, 9]
- Gliedmaßenataxie – neurologische Störung der üblichen Bewegungsabläufe und der Gleichgewichtsregulierung [7, 9]
- Atrophie der Extremitätenmuskulatur, Muskelschwäche [1, 7, 8, 9]
- Lähmungen [7, 9]
Kardiovaskuläre Symptome
- Herzrhythmusstörungen [7, 9]
- Sinustachykardie – vom Sinusknoten („Schrittmacher des Herzens“) ausgehende gesteigerte Herzfrequenz auf über 100 regelmäßige Schläge pro Minute [7, 9, 17]
- Herzvergrößerung [7, 9, 17]
- Rechtsdilatation (Beriberi Herz) – Erweiterung der rechten Seite des Herzens (betrifft Vorhof und Kammer) durch Überdehnung infolge übermäßiger Füllung, verursacht durch gehemmten Abfluss aus den Hohlorganen [7, 9]
- Perikarderguss – krankhafte Flüssigkeitsansammlung aufgrund einer Entzündung, wobei das Flüssigkeitsvolumen des Herzbeutels auf bis zu einem Liter ansteigen kann, das normalerweise 20 bis 50 ml beträgt [7, 9]
- Herzinsuffizienz (Herzschwäche) – verminderte Pumpfunktion des Herzens mit der Folge einer unzureichenden Versorgung des Körpers mit Blut und Sauerstoff, kann zum Blutstau in der Lunge und den anderen Organen führen [7, 9, 17]
Sonstige Merkmale
- Lungen- und periphere Ödeme (im Gesicht, an unteren Extremitäten, am Körperstamm) [1, 8, 17]
- Aszites (Bauchwassersucht) – krankhafte Flüssigkeitsansammlung in der freien Bauchhöhle [7, 9]
- Selten Laktatazidose ohne Ödeme (Shoshin disease) – Anstieg des Laktatwertes im Blut und gleichzeitiger Abfall des Blut-pH-Wertes, Übersäuerung des Blutes, bedingt durch die Anhäufung von Milchsäure; bei ausgeprägten Fällen kann eine Laktatazidose zu einem Schock und Versagen der Nierenfunktion führen [7, 9]
- Orthopnoe – Atemnot beziehungsweise erschwerte Atmung (Dyspnoe), die in horizontaler Lage (im Bett) auftritt und sich beim Aufrichten des Oberkörpers bessert; häufiges Vorkommen in Verbindung mit Herzinsuffizienz [7, 9]
Neurologische Symptome
- Nystagmus („Augenzittern“) – unkontrollierbare, rhythmische Bewegungen eines Organs, üblicherweise der Augen [7, 9]
- Doppeltsehen [7, 9]
- Ophthalmoplegie – Augenmuskellähmung [7, 9]
- Zerebelläre Ataxie – neurologische Störung der üblichen Bewegungsabläufe und der Gleichgewichtsregulierung [7, 9]
- Paralyse – vollständige Lähmung der motorischen Nerven eines Körperteils – beim Wernicke-Korsakow-Syndrom handelt es sich um eine Paralyse des 6. Hirnnervs [7, 9
- Polyneuropathie (burning Feet Syndrom) [7, 9]
- Reflexstörungen [7, 9]
Sonstige Merkmale
- Psychosen – schwere psychische Störungen, die mit einem zeitweiligen weitgehenden Verlust des Realitätsbezugs einhergehen; zu den auffälligen Symptomen gehören Wahn und Halluzinationen [7, 9]
- Gedächtnisverlust [7, 9]
- Bewusstseinsstörungen, Desorientiertheit [7, 9]
- Apathie und Somnolenz (Benommenheit mit abnormaler Schläfrigkeit) [7, 9]
- Überregbarkeit [7, 9]
- Vegetative Störungen, wie Hypotonie (niedriger Blutdruck mit unzureichender Durchblutung), Hypothermie (Unterkühlung) und Hyperhidrose (übermäßige Schweißproduktion) [7, 9]
Auswirkungen von Alkohol auf den Thiaminstoffwechsel [6, 11].
- Hemmung des Transports von Vitamin B1 [4.2.]
- Blockierung der Thiamin-Umwandlung in das aktive Coenzym Thiaminpyrophosphat, welches insbesondere für die Energieproduktion zuständig ist [4.2.]
- Hoher Thiamin-Verbrauch, da Vitamin B1 für den biochemischen Alkoholabbau benötigt wird [4.2.]
- Verstärkte Ausscheidung über die Niere [4.2.]
Infantile Beriberi [2, 5]
Diese Form der Beriberi-Krankheit tritt bei gestillten Säuglingen auf, deren Mütter einen schweren Thiamin-Mangel aufweisen [1, 8, 11, 17]. Die infantile Beriberi manifestiert sich zwischen dem 2. und 6. Lebensmonat und geht mit ähnlichen Symptomen wie bei der Mutter einher [1, 8].
Neurologische Symptome
- Krämpfe durch einen erhöhten intrakraniellen Druck (erhöhten Hirndruck) [7, 9, 17]
Kardiovaskuläre Symptome
- Tachykardie [17]
- Herzinsuffizienz [7, 9, 11, 17]
Sonstige Merkmale
- Übelkeit, Erbrechen [11]
- Durchfall [17]
- Zyanose – Blaufärbung der Haut, besonders an den Lippen und Fingern (zu der Verfärbung kommt es, wenn weniger als 35 % des Hämoglobin (roten Blutfarbstoffs) mit Sauerstoff besetzt ist) [17]
- Koliken – Anfall heftiger krampfartiger Schmerzen, verursacht durch die krampfhafte Zusammenziehung eines Hohlorgans (zum Beispiel Darm, Harnleiter, Gallenblase) [17]
- Dyspnoe – Atemnot beziehungsweise erschwerte Atmung [7, 9]
- Trinkschwäche [11]
- Apathie [11]
- Unruhe [11]
Da einige Enzyme Vitamin B1-abhängig sind, kann es bei einem angeborenen Thiaminmangel zu Enzymdefekten infolge ungenügender oder fehlender Synthese kommen [4.1.]. Enzymmangel führt schließlich zu Störungen im Stoffwechsel [4.1.].Aus einem Defizit thiaminabhängiger Enzyme resultieren folgende hereditäre Enzymopathien [4.1.].
Leuzinose – Ahornsirupkrankheit
- Gestörter Abbau verzweigtkettiger Aminosäuren, was zur Anhäufung ihrer Ketoanaloga führt
- Bei der leichten oder intermittierenden Form der Leuzinose beträgt die Restaktivität der Dehydrogenase bis zu 40 % und bei der häufigeren klassischen Form etwa 2 % der Norm
- Durch Gabe von 10 bis 150 mg Vitamin B1 pro Tag und gleichzeitiger Einschränkung der Proteinzufuhr kann der Verlauf der leichten oder intermittierenden Form gebessert werden
- Ohne jegliche Behandlung kann die Leuzinose bei Patienten zu schweren neurologischen Veränderungen, physischen und mentalen Entwicklungsstörungen und bei schweren Fällen auch zum Tode führen [4.1.]
Leigh-Syndrom – nekrotisierende Enzephalomyelopathie
- Vermutliche handelt es sich um eine genetisch bedingte Störung der Thiamintriphosphattransferase mit gestörter Bildung des Thiamintriphosphats, in einigen Fällen in Kombination mit geschwächter Ketosäuredehydrogenase (TTP)
- Patienten leiden unter neurologischen Ausfallerscheinungen, Nystagmus und Paralyse der externen Augenmuskeln, Krämpfe, Ataxie sowie Verwirrtheitszuständen, die einer Wernicke-Enzephalopathie ähneln
- Zur Therapie sollten Vitamin B1 und lipidlösliche Derivate (Fursultiamin) in Dosen bis zum Grammbereich verabreicht werden; durch Bikarbonatgaben und eine kohlenhydratarme Ernährung soll die gleichzeitig vorhandene Laktatazidose vermindert werden [4.1.]
Kongenitale Laktatazidose
- Defekt der Pyruvatdehydrogenase oder von Teilenzymen dieses Komplexes
- Klinische Symptome ähneln denen des Leigh-Syndroms, wobei eine klare Differenzierung dieser Enzymopathien häufig nicht möglich ist
- Sowohl die klinische Symptomatik als auch die Azidose ließen sich durch Thiamingaben nur in Einzelfällen beeinflussen [4.1.]
Thiaminresponsive megaloblastische Anämie
- Die Ursache dieser Stoffwechselstörung ist noch unklar, angenommen wird eine möglicherweise nur einzelne Gewebe betreffende Störung des Thiamintransports
- Eigentümliche Kombination von Anämie mit insulinabhängigem Diabetes mellitus und Innenohrtaubheit
- Zur Besserung der Anämie benötigt der Patient etwa 20 bis 100 mg Vitamin B1 täglich, nur in Ausnahmefällen verbessert sich auch der Diabetes mellitus [10, 12, 18]
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