Vitamin E – Mangelsymptome

Vitamin E ist ein essentielles fettlösliches Antioxidans, das eine wichtige Rolle im Schutz der Zellmembranen vor oxidativen Schäden spielt. Ein Mangel an Vitamin E tritt primär nicht als Folge einer unzureichenden Zufuhr über die Nahrung auf, da eine gemischte Kost ausreichende Mengen an Vitamin E enthält [1, 4, 13]. Eine Vitamin-E-Unterversorgung entwickelt sich in der Regel durch eine angeborene oder erworbene Erkrankung.

Ursachen des Vitamin-E-Mangels

  1. Fett-Malassimilation:
    • Sprue (Zöliakie)
    • Kurzdarmsyndrom
    • Zystische Fibrose
    • A-Beta-Lipoproteinämie [8, 10, 11]
  2. Maldigestion oder Malresorption: Fehlende enzymatische Spaltung im Darm oder Resorptionsdefekte führen zu einer unzureichenden Aufnahme von fettlöslichen Vitaminen [2].

Symptome und Auswirkungen des Vitamin-E-Mangels

Bei suboptimaler Vitamin E-Versorgung beziehungsweise bei marginalen Defiziten kommen erst nach längerer Zeit die pathologischen Folgen des oxidativen Stresses – aufgrund eines unzureichenden antioxidativen Abwehrsystems – zum Vorschein [2].

Typische Zeichen eines Vitamin E-Mangels

  • Verkürzung der Lebenszeit der Erythrozyten und erhöhte Hämolyseneigung:
    • Gesteigerter Abbau beziehungsweise Zerfall der Erythrozyten durch Zerstörung der Zellmembran [1, 12].
  • Beeinflussung der Enzymaktivität:
    • Erhöhung oder Erniedrigung zahlreicher Enzyme, insbesondere Membranenzyme. Bisher sind 147 verschiedene Enzyme und Enzymsysteme bekannt, die durch einen Vitamin-E-Mangel beeinflusst werden [3].
  • Anstieg der Lipidperoxidation im Blut und Gewebe:
    • Die wichtigste Funktion von Vitamin E besteht darin, als lipidlösliches Antioxidans die Zerstörung mehrfach ungesättigter Fettsäuren zu verhindern und so Membranlipide, Lipoproteine und Depotfette zu schützen [5, 6, 7].
    • Bei ungenügenden Vitamin-E-Reserven im Körper nimmt die Lipidperoxidation im Blut und Gewebe zu. Messungen zeigten vermehrt Lipidperoxidationsprodukte bei Personen mit niedrigen Vitamin E-Plasmakonzentrationen [3].

Neuromuskuläre Störungen

  • Myopathien:
    • Muskelschwäche und Anstieg der Kreatinkinase im Plasma, erhöhte Kreatinausscheidung im Urin aufgrund von Muskelmembranschädigung [1, 2].
  • Neuropathien:
    • Störungen des peripheren Nervensystems, Störungen in der neuromuskulären Informationsübertragung, Tiefensensibilität, Areflexie, Ataxie, Encephalopathie [1, 2].

Mangelzustände bei Frühgeborenen

Frühgeborene haben sehr geringe Vitamin-E-Speicher und eine noch unausgereifte intestinale Resorption lipophiler Substanzen. Der Bedarf ist in dieser Phase aufgrund von Wachstum und Entwicklung erhöht.

Typische Mangelsymptome bei Frühgeborenen

  1. Hämolytische Anämie: Reduzierte Halbwertzeit der Erythrozyten infolge gesteigerten Abbaus [2, 12].
  2. Bronchopulmonale Dysplasie: Chronische Lungenerkrankung bei Frühgeborenen, die längere Zeit künstlich beatmet und zusätzlich mit Sauerstoff versorgt werden müssen [1, 2, 12].
  3. Vaskuläre Störungen: Ventrikelblutungen beziehungsweise intrakranielle Blutungen (Hirnblutungen) [1, 2, 12].
  4. Retrolentale Fibroplasie: Schäden an Sehnerv und Netzhaut mit Trübungen im Bereich des Glaskörpers [1].

Oxidativer Stress und Folgeerkrankungen

Oxidativer Stress steht im Zusammenhang mit der Pathogenese von:

  • Tumorerkrankungen [9]
  • Atherosklerose und Koronare Herzkrankheit (KHK) [9]
  • Katarakt (grauer Star) [9]
  • Neurodegenerativen Erkrankungen wie Morbus Parkinson und Morbus Alzheimer [9]
  • Krankheitsbedingten Folgeerscheinungen wie Reperfusionsschäden am Herzen [9]

Ein ungenügendes antioxidatives Schutzsystem und eine Zunahme der Lipidperoxidationsprodukte im Plasma erhöhen den oxidativen Stress im Körper und damit das Risiko der Entstehung radikalbedingter Erkrankungen [9].

Literatur

  1. Bässler KH, Grühn E, Loew D, Pietrzik K. Vitamin-Lexikon für Ärzte, Apotheker und Ernährungswissenschaftler. 3. Auflage. Urban & Fischer, München, 2002.
  2. Biesalski HK: Vitamine, Spurenelemente und Minerale. Indikationen, Diagnostik, Therapie. 3. Auflage, Georg Thieme Verlag, München 2024
  3. Biesalski HK, Bischoff SC, Pirlich M, Weimann A (Hrsg.): Ernährungsmedizin. Nach dem Curriculum Ernährungsmedizin der Bundesärztekammer. 5. Auflage. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2017
  4. Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), Österreichische Gesellschaft für Ernährung (ÖGE), Schweizerische Gesellschaft für Ernährungsforschung (SGE), Schweizerische Vereinigung für Ernährung (SVE). Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr. 1. Auflage. Umschau Braus Verlag, Frankfurt am Main, 2000.
  5. Esterbauer H, Puhl H, Dieber-Rotheneder M, Waeg G, Rabl H. Effect of antioxidants on oxidative modification of LDL. Ann Med. 1991; 23: 573-81.
  6. Esterbauer H, Puhl H, Waeg G, Krebs A, Dieber-Rotheneder M. The role of vitamin E in lipoprotein oxidation. In: Packer L, Fuchs J, eds. Vitamin E: Biochemistry and clinical application. New York: Marcel Dekker; 1992.
  7. Esterbauer H, Gebicki J, Puhl H, Jürgens G. The role of lipid peroxidation and antioxidants in oxidation modification of LDL. Free Rad Biol Med. 1992; 13: 341-90.
  8. Gaßmann B. Vitamin E. Ernährungs-Umschau. 1997; 44: 63-66.
  9. Hahn A. Nahrungsergänzungsmittel. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart, 2001.
  10. Leitzmann C, Müller C, Michel P, Brehme U, Hahn A, Laube H. Ernährung in Prävention und Therapie. Hippokrates Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG, 2005.
  11. N.N. Alpha-Tocopherol. Kommentar zum Europäischen Arzneibuch. Band 2/6, Monographien S-Z, Darreichungsformen, T 51. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart, Govi-Verlag-Pharmazeutischer Verlag GmbH, Eschborn, 1999.
  12. Schmidt E, Schmidt N. Leitfaden Mikronährstoffe. Urban & Fischer Verlag, München, 2004.
  13. Hahn A, Ströhle A, Wolters M. Ernährung. Physiologische Grundlagen, Prävention, Therapie. 4. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2023