Funktionen
Biotin

Die einzelnen biotinabhängigen CarboxylasenPyruvat-, Propionyl-CoA-, 3-Methylcrotonyl-CoA-, und  Acetyl-CoA-Carboxylase sind für die Gluconeogenese, Fettsäuresynthese beziehungsweise den Abbau von Aminosäuren essentiell [2, 7].
Bei dem proteolytischen Abbau dieser Holocarboxylasen im Magen-Darm-Trakt entstehen biotinhaltige Peptide, darunter das bedeutsame Biocytin. Dieses wird im Anschluss durch das in fast allen Geweben vorhandene Enzym Biotinidase unter Abspaltung von Lysin oder Lysilpeptid wieder in Biotin umgewandelt.

Die Biotinidase wirkt weiterhin als Biotintransferase. Diese ist in der Lage, einzelne Biotinmoleküle an Histone (Proteine, um die die DNA gewickelt ist) zu binden beziehungsweise von Histone abzuspalten. Auf diese Weise kann die Biotintransferase vermutlich die Chromatinstruktur (Fadengerüst der DNA), die DNA-Reparatur und die Genexpression beeinflussen [1, 8]. Ein Mangel an Biotinidase – autosomal-rezessiv vererbter angeborener Defekt, äußerst selten – führt zur Unfähigkeit, Biotin aus Biocytin zu gewinnen. Aufgrund des erhöhten Biotinbedarfs sind betroffene Kinder auf die Zufuhr von pharmakologischen Mengen an freiem Biotin angewiesen [2, 14].  
Biotin wird hauptsächlich im proximalen Dünndarm resorbiert. Aufgrund der Eigensynthese im Kolon durch biotinproduzierende Mikroorganismen übersteigt die tägliche Ausscheidung von Biotin und seinen Metaboliten in Urin und Fäzes die mit der Nahrung zugeführte Menge [2, 12].

Coenzym bei Carboxylierungsreaktionen 

Die wesentliche Funktion von Biotin besteht darin, als Cofaktor beziehungsweise prosthetische Gruppe von vier Carboxylasen zu fungieren, die die Bindung einer Carboxylgruppe (Bicarbonat – CO2) an
organische Säuren katalysieren. Das B-Vitamin ist damit an mehreren essentiellen Stoffwechselvorgängen sämtlicher energieliefernder Nähr- und Vitalstoffgruppen beteiligt [2, 3, 7, 9, 12].

Biotin ist Bestandteil folgender Carboxylasereaktionen:

  • Pyruvatcarboxylase – wichtiger Bestandteil sowohl bei der Gluconeogenese als auch bei der Fettsäuresynthese (Lipogenese)
  • Propionyl-CoA-Carboxylase – essentiell für die Glucosesynthese und damit für die Energieversorgung 
  • 3-Methylcrotonyl-CoA-Carboxylase – unerlässlich für den Abbau essentieller Aminosäuren (Leucin-Katabolismus)
  • Acetyl-CoA-Carboxylase – wichtiger Bestandteil bei der Fettsäuresynthese [2, 7, 9, 12]

Pyruvatcarboxylase
Die Pyruvatcarboxylase befindet sich in den Mitochondrien, in den „Kraftwerken“ der Zellen. Dort ist das Enzym für die Carboxylierung von Pyruvat zu Oxalacetat verantwortlich. Oxalacetat stellt den Ausgangsstoff und damit einen essentiellen Bestandteil der Gluconeogenese dar. Die Neubildung von Glucose findet vor allem in der Leber sowie in den Nieren statt und dementsprechend finden sich die höchsten Aktivitäten an Pyruvatcarboxylase in diesen beiden Organen. Demnach dient die Pyruvatcarboxylase als Schlüsselenzym der Neubildung von Glucose und ist an der Regulation des Blutzuckerspiegels beteiligt. Glucose ist der wichtigste Energielieferant des Organismus. Insbesondere sind die
Erythrozyten (rote Blutkörperchen), das Gehirn und das Nierenmark auf Glucose zur Energiegewinnung angewiesen [2, 7, 12]. 

Im Anschluss an die Glykolyse entsteht in den Mitochondrien durch oxidative Decarboxylierung (Abspaltung einer Carboxylgruppe) von Pyruvat der Metabolit Acetyl-CoA. Diese „aktivierte Essigsäure“ (ein an ein Coenzym gebundener Essigsäure-Rest) stellt den Beginn des Citratzykluś in den Mitochondrien und damit den Ausgangsstoff für die Biosynthese der Fette dar. Um die Mitochondrienmembran passieren zu können, muss Acetyl-CoA  in das für die Membran durchlässige Citrat (Salz der Zitronensäure) umgewandelt werden. Diese Reaktion ermöglicht die Citratsynthetase, indem das Enzym infolge des Abbaus von Acetyl-CoA den Acetylrest auf Oxalacetat überträgt – Kondensation von Oxalacetat unter der Bildung von Citrat. Durch diesen Reaktionsschritt des Citratzykluś wird Energie frei, einerseits in Form von GTP (wie ATP eine „universelle Energiegewährung“ der Zelle) und andererseits in Form von Reduktionsäquivalenten (NADH+H+ und FADH2). Letztere werden anschließend in der Atmungskette zur Bildung weiterer ATP-Moleküle genutzt, was den Hauptenergiegewinn bei der Zellatmung darstellt. Nachdem Citrat aus dem Mitochondrium in das Zytosol gelangt ist, wird es mit Hilfe der Citratlyase wieder in Acetyl-CoA überführt [2, 12].
Um die normale Aktivität des Citratzykluś aufrecht zu erhalten, muss kontinuierlich durch die Pyruvatcarboxylase aus Pyruvat Oxalacetat hergestellt werden, welches wiederum für die Bildung von Citrat
notwendig ist. Schließlich kann Acetyl-CoA nur in Form des Salzes der Zitronensäure in das Zytosol gelangen und dort die Fettsäuresynthese einleiten [2, 12].

Die Pyruvatcarboxylase scheint aufgrund der wesentlichen Funktion in der Fettsäuresynthese (Bereitstellung von Oxalacetat zur Umwandlung von Acetyl-CoA zu Citrat) und in der Synthese des Neurotransmitters Acetylcholin eine entscheidende Rolle als Cofaktor bei der Ausreifung des Gehirns zu spielen. Weiterhin wird Oxalacetat für die De-Novo-Synthese von Aspartat, einem
exzitatorischen (erregenden) Neurotransmitter, benötigt [2, 12].  

Propionyl-CoA-Carboxylase
Die Propionyl-CoA-Carboxylase ist ein in den Mitochondrien lokalisiertes Schlüsselenzym bei der Katalyse von Methylmalonyl-CoA aus Propionyl-CoA. Im menschlichen Gewebe entsteht Propionsäure aus der Oxidation ungeradzahliger Fettsäuren, dem Abbau bestimmter Aminosäuren – Methionin, Isoleucin und Valin – und der Produktion durch die Mikroorganismen des Gastrointestinaltraktes.Methylmalonyl-CoA wird im weiteren Verlauf zu Succinyl-CoA und Oxalacetat abgebaut. Aus Oxalacetat resultieren entweder Glucose oder Kohlendioxid (CO2) und Wasser (H2O) [2, 12].Demzufolge ist die Propionyl-CoA-Carboxylase wichtiger Bestandteil der Glucosesynthese sowie der Energieversorgung [2, 12].  

3-Methylcrotonyl-CoA-Carboxylase
Die 3-Methylcrotonyl-CoA-Carboxylase ist ebenfalls ein mitochondriales Enzym. Es ist für die Umwandlung von3-Methylcrotonyl-CoA in 3-Methylglutaconyl-CoA verantwortlich, welches in dem Abbau von Leucin eine Rolle spielt. 3-Methyl-Glutaconyl-CoA und 2-Hydroxy-3-methylglutaryl-CoA werden anschließend in Acetoacetat und Acetyl-CoA
überführt. Letzteres ist wesentlicher Bestandteil des Citratzykluś. 3-Methylcrotonyl-CoA kann unabhängig von Biotin in drei weitere Verbindungen abgebaut werden, die bei einem Biotinmangel dementsprechend vermehrt produziert werden [2, 12]. 

Acetyl-CoA-Carboxylase
Die Acetyl-CoA-Carboxylase befindet sich sowohl in den Mitochondrien als auch im Zytosol. Das Enzym ermöglicht die im Zytosol lokalisierte, ATP-abhängige Carboxylierung von Acetyl-CoA zu Malonyl-CoA. Diese Reaktion stellt den Anfang der Fettsäuresynthese dar. Indem Malonyl-CoA langkettige, mehrfach ungesättigte Fettsäuren durch Kettenverlängerung umwandelt, ist es für die Bildung von Prostaglandin-Vorläufern von Bedeutung. Prostaglandine gehören zu der Gruppe der Eicosanoide (oxygenierte Derivate von mehrfach ungesättigten Fettsäuren), die die Funktion der glatten Muskulatur und die Muskulatur des Uterus beeinflussen [2, 12].

Weitere Wirkungen:

  • Einfluss auf die Expression von Genen nichtbiotinabhängiger Enzyme [4, 10]
  • Einfluss auf Wachstum und Erhalt von Blutzellen, Talgdrüsen und Nervengewebe [5]
  • Einfluss auf die Immunantwort [13] – durch eine Biotinsupplementierung von 750 µg / Tag über 14 Tage beziehungsweise von 2 mg / Tag über 21 Tage kam es in den Blutzellen sowohl zu einer vermehrten Expression der Gene für Interleukin-1ß und Interferon-y als auch zu einer verminderten Expression des Gens für Interleukin-4; zudem wurde die Freisetzung verschiedener Interleukine beeinflusst
  • Biotinsupplementationen führten in etlichen Studien zu einer Verbesserung der Hautbeschaffenheit [6]
  • Durch die tägliche Gabe von 2,5 mg Biotin über 6 Monate konnte eine Verdickung und eine verbesserte Struktur der Nägel festgestellt werden [11, 14]

Literatur

  1. Ballard TD, Wolff J, Griffin JB, Stanley JS, van Calcar S, Zempleni J: Biotinidase catalyzes debiotinylation of histones. Eur J Nutr. 2002 Apr;41(2):78-84.
  2. Biesalski K: Vitamine, Spurenelemente und Mineralstoffe – Prävention und Therapie mit Mikronährstoffen, 104-110. In: Biesalski HK, Köhrle J, Schümann K: Vitamine, Spurenelemente und Mineralstoffe – Prävention und Therapie mit Mikronährstoffen. Georg Thieme Verlag; Stuttgart/New York 2002
  3. Biesalski HK, Fürst P, Kasper H, Kluthe R, Pölert W, Puchstein Ch, Stähelin HB: Ernährungsmedizin. 155. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 1999 
  4. Chauhan J, Dakshinamurti K: Transcriptional regulation of the glucokinase gene by biotin in starved rats. J Biol Chem. 1991 Jun 5;266(16):10035-8.
  5. Elmadfa I, Leitzmann C: Ernährung des Menschen. 3. Auflage. Eugen Ulmer, Stuttgart 1998
  6. Geilen CH, Gollnick H: Dermatologische Erkrankungen. In: Biesalski HK, Fürst P, Kasper H, Kluthe R, Pölert W, Puchstein C, Stähelin H (eds):
    Ernährungsmedizin. 480-492. Georg Thieme Verlag; Stuttgart 1999
  7. Hahn A: Nahrungsergänzungsmittel. 154-155. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart 2001 
  8. Hymes J, Wolf B: Biotinidase and ist roles in biotin metabolism. Clin Chim Acta. 1996 Nov 15;255(1):1-11.
  9. Leitzmann C, Müller C, Michel P, Brehme U, Hahn A, Laube H: Ernährung in Prävention und Therapie. 47. Hippokrates Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG 2005
  10. Maeda Y, Kawata S, Inui Y, Fukuda K, Igura T, Matsuzawa Y: Biotin deficiency decreases ornithine transcarbamylase activity and mRNA in rat liver. J Nutr. 1996 Jan;126(1):61-6.
  11. Said HM: Biotin bioavailability and estimated average requirement: why bother? Am J Clin Nutr March 1999 vol. 69 no. 3 352-353
  12. Schmidt E, Schmidt N: Leitfaden Mikronährstoffe. 211-217. Urban & Fischer Verlag; München, Februar 2000 
  13. Wiedmann S, Eudy JD, Zempleni J: Biotin supplementation increases expression of genes encoding interferon-gamma, interleukin-1beta, and 3-methylcrotonyl-CoA carboxylase, and decreases expression of the gene encoding interleukin-4 in human peripheral blood mononuclear cells. J Nutr. 2003 Mar;133(3):716-9.
  14. Zempleni J, Mock DM: Bioavailability of biotin given orally to humans in pharmacologic doses. Am J Clin Nutr. 1999 Mar;69(3):504-8.
     
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