Vitamin A – Funktionen
Funktion beziehungsweise Wirkung der Vitamin A-Derivate [9]
| Substanzgruppe | Funktion beziehungsweise Wirkung | 
| Retinol | Transportform, im Serum gebunden an Retinol-Bindungsprotein (RBP) und Transthyretin (TTR) | 
| 11-cis-und all-trans-Retinal | Im Rhodopsinzyklus des Auges | 
| Retinsäure | Inhibierung von Tumorpromotoren und wichtig für Proliferation und Differenzierung verschiedener Gewebe (Darmmukosa/Darmschleimhaut, Respirationsepithel, Haut) Diverse Tumorzellen, prämyeloide und myeloide Formen, embryonale Formen  | 
| Retinylester | Speicherform des Vitalstoffs, kommt vor in Leber, Hoden, Retina, Lunge | 
| Glukuronierte Verbindungen – Retinsäure und Retinol | Ausscheidungsprodukte mit Wirkung auf Differenzierung und Wachstum | 
Sehvorgang
- Rhodopsin bildet den Sehfarbstoff in der Retina (Netzhaut) und ist eine Verbindung des Proteins Opsin und Retinal
 - 11-cis Retinal kann Licht absorbieren und wird bei Lichteinfall in die all-trans Form umgewandelt
 - Abspaltung des Retinals vom Rhodopsin
 - Aktivierung der Rhodopsin-Moleküle, welche im Anschluss Transducin-Moleküle aktivieren
 - Das Resultat ist eine Hyperpolarisation – Erhöhung des Membranpotenzials – mit der Folge eines Nervenimpulses, der zur Sinneswahrnehmung führt
 - Umwandlung des All-trans-Retinals in das 11-cis Retinal, welches sich an Opsin bindet und so wieder in das Rhodopsin-Molekül eingebracht wird [2, 3, 7]
 
Embryogenese
- Retinsäure-abhängige Rezeptoren werden schon in sehr frühen Entwicklungsphasen exprimiert und regeln die Entwicklung des Skelettsystems, des Neuralrohrs, verschiedener Organe und Gewebe
 - Sowohl eine zu hohe als auch eine zu niedrige Vitamin-A-Zufuhr kann zu Fehlbildungen beim Ungeborenen führen [2]
 
Zellproliferation und -differenzierung
- Vitamin A-Derivate sind in der Lage, das Wachstum verschiedener Zellen zu hemmen oder zu fördern beziehungsweise differenzierende oder dedifferenzierende Effekte einzuleiten – dies geschieht entweder durch Angriff von Vitamin A am Retinoidrezeptor, oder auch unabhängig davon [2, 3]
 - Häufig ist die Wirkung auf Wachstum und Differenzierung gekoppelt – durch Retinsäure wird das Wachstum einer neoplastischen Zelle gehemmt und gleichzeitig kommt es zur Differenzierung normaler Zellen [3]
 - Vitamin A regelt vor allem die regelrechte Differenzierung der Schleimhaut der Atemwege und der Haut [4]
 - Vitamin A beeinflusst auch das Wachstum und die Differenzierung von Epithel-, Zahn- und Knochengewebe sowie plazentarem und embryonalem Gewebe [6, 7, 8, 10].
 
Durch die Beeinflussung von Zellwachstum und -differenzierung ist Vitamin A unerlässlich für eine gesunde Entwicklung von Haut, Haaren, Augen, Schleimhäuten, Lymphgefäßen, Geschlechtszellen, Knochen und Zähne [9].
Immunsystem
- Retinol und seine Derivate schützen (durch die Aufrechterhaltung der Struktur und Funktion der Zellmembranen) Haut- und Mukosazellen (Schleimhautzellen) der Luftwege, des Verdauungstraktes und der Harnwege, die eine Barriere für Bakterien, Viren und Parasiten und damit für Infektionen darstellen [9]
 - Retinol und Retinylester sind an der Produktion von Antikörpern beteiligt – verstärkte Stimulation der Antikörperbildung in Leukozyten (weiße Blutkörperchen) – und Aktivierung der T-Lymphozyten (die wichtigsten Regulatorzellen des Immunsystems) [7, 9]
 - Den Carotinoiden werden neben antioxidativen und immunmodulierenden auch antikanzerogene Eigenschaften zugeschrieben [7]
 
Der Schutz der Haut- und Mukosazellen und die gesteigerte Antikörperbildung durch Vitamin A sind Voraussetzungen für ein funktionierendes Immunsystem [7, 9].
Weitere Funktionen des Vitamins A
- Initiierung und Steuerung der Produktion von Steroidhormonen, einschließlich der Corticosteroide [9]
 - Erythropoese (Produktion roter Blutkörperchen) – zur Differenzierung von Stammzellen in Erythrozyten (rote Blutkörperchen) sind Retinoide erforderlich [9]
 - Eisentransport – Vitamin A mobilisiert Eisen aus den Speichern, zum Einbau in das Hämoglobin (Blutfarbstoff) der Erythrozyten (rote Blutkörperchen) [9]
 - Neben der Synthese von Proteinen und Fetten spielt Vitamin A auch in der Bildung von Androgenen und Östrogenen eine wesentliche Rolle – eine normale Spermienzahl, -form und -beweglichkeit setzt einen optimalen Vitamin-A-Status voraus [8, 10]
 - Essentiell für das Hören, Schmecken und Riechen [8, 10]
 - Myelinsynthese im Nervensystem [9]
 - Erhöhung der Größe der dendritischen Stacheln und Verbesserung der Fähigkeit, Signale zwischen Neuronen zu übertragen [11]
 - Regeneration von Knochenbrüchen [9]
 - Antikanzerogene Wirkung der Retinsäure durch Beeinflussung der Genexpression in der Promotionsphase von Hautkrebs [1, 5]
 
Des Weiteren wurden die folgenden Fachbücher für die Verfassung dieses Artikels herangezogen [12-14].
Literatur
- Bayer W, Schmidt KH: Vitamine in Prävention und Therapie. Hippokrates, Stuttgart 1991
 - Biesalski HK: Vitamine, Spurenelemente und Minerale. Indikationen, Diagnostik, Therapie. 3. Auflage, Georg Thieme Verlag, München 2024
 - Biesalski HK, Bischoff SC, Pirlich M, Weimann A (Hrsg.): Ernährungsmedizin. Nach dem Curriculum Ernährungsmedizin der Bundesärztekammer. 5. Auflage. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2017
 - Chytil F: The lungs and vitamin A. Amer J Physiol. 1992: 262; L517-27
 - De Luca LM, Darwiche N, Celli G, Kosa K, Jones C: Vitamin A in epithelial differentiation and skin carcinogenesis. Nutr Rev. 1994 Feb;52(2 Pt 2):S45-52.
 - Hahn A: Nahrungsergänzungsmittel. 127-128, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart 2001
 - Leitzmann C, Müller C, Michel P, Brehme U, Hahn A, Laube H: Ernährung in Prävention und Therapie. 30, 2005 Hippokrates Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG
 - Russel RM: The vitamin A spectrum: from deficiency to toxicity. Am J Clin Nutr. 2000 Apr;71(4):878-84.
 - Schmidt E, Schmidt N: Leitfaden Mikronährstoffe. 96 - 102, Urban & Fischer Verlag; München, Februar 2004
 - Solomons NW: Vitamin A and carotenoids. In: Present Knowledge in Nutrition. 8th Edition. Bowman BA, Russel RM (Eds.). ILSI (2001)
 - Lenz M et al.: All-Trans Retinoic Acid induces synaptic plasticity in human cortical neurons. eLife 2021;10:e63026. doi: https://doi.org/10.7554/eLife.63026
 - Hidgon J, Drake VJ: An Evidence-Based Approach to Vitamins and Minerals. Health Benefits and intake recommendations. 2nd Edition, Georg Thieme Verlag, München 2022
 - Hahn A, Ströhle A, Wolters M. Ernährung. Physiologische Grundlagen, Prävention, Therapie. 4. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2023
 - Matissek R, Hahn A: Lebensmittelchemie. 10. Auflage, Springer Spektrum Verlag, Heidelberg 2023